worum es geht: polit

Montag, 25. Juli 2011

Vollpfosten und Anbaupfosten
zu norge hab ich seit jahrzehnten ein ambivalentes verhältnis, die aktuellen vorgänge lassen mich wirklich nicht kalt.

ich habe aus norwegischen mündern immer wieder mal abfälliges zum thema immigrant*innen gehört. auch die in deutschland ebenfalls gern bemühte überflutungsmetaphorik gehörte "spaßig gemeint" dazu, wenn darauf hin gewiesen wurde, dass pakistan ja menschenleer sein müsse, da alle "pakis" schon in norwegen seien.
die frage, warum man mindestens sechs monate des jahres in spanien verbringe, wenn doch dieses ganze land von ungewaschenen lümmeln bewohnt sei, blieb mir schon als kind unzureichend beantwortet.

trotzdem haben wohl auch viele norweger*innen diese form rechtsradikalen terrorismus nicht in ihrem land gesehen oder sehen wollen.
ja, in schweden vielleicht! da gibt's nazis! aber hier in norwegen, da gehört das fähnchenschwenken zur brauchtumspflege - das hat doch mit nationalismus nichts zu tun!

während ich das nichtvorhandensein norwegischer rechtsextremist*innen immer laut angezweifelt habe (dafür muss man auch beide augen fest schließen) und gegen 16:45h, als ich mit einer freundin, die in einem monat nach oslo zieht, mit offenem mund vor dem rechner hing und mir nach einem kurzcheck der rahmendaten ein "das waren nazis!" rausrutschte, würde ich daran festhalten wollen, dass das rotweißblaue fahnenmeer am 17. mai immer noch eher ausdruck von nationalromatik als ein beharren auf vorherrschaft des nordischen kreuzes ist.

und führen sie bitte mal eine strichliste, wie oft sie in der gedruckten oder gesendeten presse das wort "terrorismus" vernehmen. ja, ganz zu anfang vielleicht, da hyperventilierten ja auch noch "terrorismusexperten" auf allen kanälen. die kennen aber interessanterweise nur "islamistischen terrorismus". christlich-fundamentalistische terroristen sind hingegen verwirrte einzeltäter, auch wenn sie an einem tag mehr tote erzeugen als die raf in 28 jahren. wer seine absonderungen " gezielt an mehrere hundert E-Mail-Adressen von Rechtsextremisten in Europa und den USA" sendet ist sicher alles andere als schlecht in der szene vernetzt.
und schon wieder hab ich keine forderungen nach dem verbot von schützenvereinen oder vielleicht auch mal religionen vernommen. das wäre tatsächlich mal eine charmante wendung im diskurs...

unseren ganzen fleißigen salonislamophobikern fällt es plötzlich gar nicht so leicht, sich glaubwürdig vom internationalen rechtsterrorismus zu distanzieren. wenn nur sehr schmale blätter papier dazwischen passen, ist das auch kein wunder... da ist es auch grad erstaunlich ruhig geworden in der presselandschaft, hat man doch den lautesten rabauken immer wieder gerne ein forum geboten.
jetzt taucht das machwerk des rassisten sarrazin als theoriebildend im bekennersermon auf, ebenso wie der tolle ranzige spiegel-hofnarr broder, dessen krawallrhetorik offenbar ebenfalls locker zur extremen rechten hin anschlussfähig geworden ist. und der vollpfosten, awarenessgeil wie immer, entblödet sich nicht, den teil des sogenannten "manifestes" in dem seine ergüsse zitiert werden, ellenlang und in epischer breite auf seiner eigenen webseite abzufeiernzu dokumentieren. ekelhaft.



ich habe bild und text seinerzeit an brodaganda ausgeliehen und bin ein bisschen stolz, dort von broder als idiot bezeichnet zu werden.
vielen dank, damit kann ich sehr gut leben.

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edit: interessante links zum thema

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Gedisst von Broder, ich glaube, dann ist man angekommen in der ersten Diskursmannschaft. Im übrigen bin ich froh, daß man beim Attentäter nicht - wie sonst üblich - C*unterstrike auf dem Rechner gefunden hat, sondern F*cebook. Jetzt wird man sich tatsächlich mal um Antworten bemühen müssen. Und die naheliegende Frage, wie der Typ an diese Waffen kam, habe ich in den Medien auch nur unzureichend behandelt gesehen.

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yeah! endlich nicht mehr v-blogger!
war aber doch 'ne ganz schöne zeit, unerkannt durch die straßen laufen und so;-)

"rechte hassblogs" wäre doch mal ein schönes stichwort. da kann man ganz ohne die jetzt mal wieder geforderte vorratsdatenspeicherung alles mitlesen. und wenn die innenexperten nicht mal das hinbekommen (Allerdings gab der Sprecher des Innenministeriums zu bedenken: "Es ist eben nicht möglich, das Internet lückenlos zu überwachen." q), frag ich mich schon, wer denn dann noch all die verbindungsdaten auswerten soll...

die waffen waren wohl legal erworben. tja.

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(un)zureichend
Waffen, politische Motivation, Zugehörigkeit zu extremen Gruppierungen, sind das nicht lediglich Sekundarien, Teile eines Etikettes, während der Inhalt schon gegoren ist? In diesem Falle hochexplosiv.
Eine derartige grausame, entgleiste Logik des Bösen ensteht wohl kaum durch Ideologien allein, seien sie auch noch so radikal. Sie sind das Gift, der Dünger auf einen vorhandenen, angereicherten Nährboden. Es gibt heute noch effizientere Katalysatoren, vielleicht.
Nein, ich möchte nicht wirklich darüber nachdenken, was wäre, wenn dies mein Sohn wäre, mein Schüler, mein kleiner Bruder. Wir alle werden früh geprägt. Wenn der Beton fest geworden ist, kann man die Form nicht mehr verändern.
Es ist eine Frage des Zeitpunktes, wann die Härtung beginnt.

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Huch, finde mich immer noch recht emotional, ob der Geschehnisse

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schon ok, wer kann das schon mit einem achselzucken quittieren?

ich wollte das auch nicht nur auf "rechte hassblogs" abstellen. nitroglycerin ist sicher hochexplosiv, aber es muss auch jemand kommen, der es schüttelt. und da ist die gedankenwelt der pi-news-kloake um welten näher dran als etwaige andere, deutlich hanebüchenere erklärungsmodelle ("ballerspiele").

kindliche familiale prägung ist bestimmt wichtig, aber nicht alles. und die sozialisation hört nicht schlagartig mit der spätadoleszenz auf. wäre die gleiche radikalisierung eingetreten ohne die "fortschrittspartei", ohne das wissen um die internetclaqueure, ohne kontakt zu virtuellen kameraden, die ihm ständig auf die schulter klopften und ihn bestätigten und maulheldenhaft anstachelten? - aber wer weiß das schon.

ich glaube nicht an das böse schlechthin. den beton kann man auch aufmeißeln, und das passiert den meisten von uns, dass wir nicht bleiben, wie wir mal waren. das bleibt nicht ohne spuren, aber, wie es hier gerne mal heißt: so geht leben.

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Massenmörder hat es schon immer gegeben, auch ohne Internet und sonstige Claqueure, radikale Verführer . Und immer hatten sie Bewunderer. Durch die moderne Vernetzung kommt es zum Schulterschluss der Ermunterer, der weniger Wagemutigen.
Das Exemplar wusste, dass es bei den Freimaurern nie ein "Meister vom Stuhl" hätte werden können. Da fehlten Kompetenz und Einsichten. Es hat gesucht und seine Legitimation in destruktiven Ideologien festgemacht. Dort fand er seinen Pflock. Das ist richtig.

Auch sein Beton hat schon gebröckelt.
Die Spur ist blutig.
Sie führt uns nah genug an einen Sumpf, den es auszutrocknen gilt. Aber sie hat dort nicht begonnen...

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das wird mir jetzt zu meta. phorisch zum beispiel.

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Macht.nichts

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ich denke schon, dass das was ausmacht. den essentialistischen ansatz des bösen an sich kann ich nicht mittragen.

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Oh.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich spreche nicht vom Bösen an sich, sondern vom speziellen, hier vorliegenden Fall. Eine Multifaktorielle Genese seines Ausbruches.
Mit "macht.nichts" meinte ich Ihre Haltung zum Metaophorischen...

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ich haette gedisst von noam chomsky im angebot. der schrieb mir 2005 mal, dass er mich dumm faende. daraufhin haben mir viele eine grosse karriere vorhergesagt (wir warten noch).

zu dem anderen thema koennte ich auch einiges sagen. aber ich mach ja nicht in politik ausserhalb der eigenen vier waende.

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auch nicht schlecht.
allerdings: der ist zwar anstrengend und ein alter anti-imp, aber so verdreht wie der broder isser nun wirklich nicht. das wär jetzt schon gemein, die in einen sack zu stecken.
(linguistisch kann ich das natürlich nicht beurteilen.)

"Wer sich nicht mit Politik befaßt, hat die politische Parteinahme, vor der er sich bewahren möchte, bereits vollzogen; er dient der herrschenden Partei." (Max Frisch)
und sie wollen doch nicht die magd der merkel sein!
also immer nur offen heraus, wir sind hier doch ganz unter uns.

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dann versuche ich es so: wenn der grossteil der deutschen aus der geschichte etwas gelernt hat, dann ist das, dass nationalismus keine gute sache ist. auf dem weg zum abitur hat man im schnitt 6 mal ueber das dritte reich gesprochen, und dass man nicht stolz auf seine nationalitaet sein kann, und dass auslaender unsere freunde sind usw (und ich bin mir darueber im klaren, dass das nicht bei jedem ankommt, ja). bei vielen bleibt das haengen. und bei den sog. intellektuellen sowieso. (auch da wieder ausnahmen). in kleinen, reichen, europaeischen laendern fehlt zwar nicht unbedingt die dunkle geschichte, wenn wir zb mal kurz nach westen schauen, aber alle damit einhergehenden lernprozesse. auch an universitaeten, auch in den geisteswissenschaften, da, wo sonst rote nester sind, ist nationalstolz, elitaere ueberheblichkeit ob der vermeintlichen geilerheit des eigenen landes und der entspannten kultur und gesellschaftlich akzeptierter und zu allen anlaessen lustig verpackt gelebter fremdenhass. das sehe ich regelmaessig westlich und noerdlich von hier. und dann komme ich oft zu dem entschluss, dass es hier gar nicht sooo uncool ist und die geschichte uns wenigstens gelehrt hat, was man laut sagen soll und was nicht.

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full ack. da hatte ich ja jetzt wirklich etwas kontroverseres erhofftwartet!

so ganz furchtbar finde ich's hier ja auch nicht in schland. und wenn ich gelegentlich rumnörgel, dann liegt das natürlich daran, dass man grundsätzlich erstmal vor der eigenen landestür kehren sollte.

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ich habe 8 jahre in dem reportedly coolsten und gefuehlt nationalistischsten land der welt gewohnt. ich koennte kontroverser. aber ich bin muttiblogger...

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na klar doch;-)

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Broder hat übrigens im Tagesspiegel dazu Stellung genommen, nicht sehr überraschend.

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Broder:
«[...] dass sich Europa widerstandslos dem Islam unterordne [...]». Das benötigt Europa doch gar nicht. Es hat doch eigene Vereine, in denen gehorsam nachgebetet wird.

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überfremdungsparanoiker ist er geworden, das ist doch irgendwie tragisch.
ich hoffe irgendwann kommt die zeit, wo sich die ehemals linken atlantiker mal den hysterieschaum vom mund wischen.

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Schützenvereine
Das wäre auch mal ein Thema. Die Verfügbarkeit von Waffen in derartigen Klubs.

Ansonsten fehlen mir in dem Fall immer noch ein wenig die Worte. Aber das haben Sie ja auch schon erledigt!

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richtig.
ich bin auch dankbar, daß herr vert sich dem thema annimmt; ich selber schäume nur wütend vor mich hin.

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das mit den schützenvereinen ist mal ein anderer fokus auf das bunte portfolio blinder verdächtigungen. aber sehr viel näher dran als manches andere. wenn allerdings politisch verblendete mit einer solchen intelligenz und solchen verbindungen eine waffe illegal hätten erwerben wollen, hätte das wahrscheinlich auch geklappt. aber schwerer wär's schon gewesen.

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das mit dem schaum nehm ich zurück.
in diesen topf möcht ich nicht....

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oha, da wollte ich auch keine parallelen ziehen, ich weiß, wie sie's meinen. da kann man sehr wohl mal wütend sein, egal, wie sich das dann metaphorisch äußert.
außerdem verbreiten sie im gegensatz zu den oben beschriebenen hasspredigern keine bevölkerungsverhetzung. nein, keine chance: dieser topf ist nicht für sie vorgesehen.

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achso.
gut.

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links
# "Zum Massaker in Norwegen" von ulfur grai

# "Einzeltäter" im rebellmarkt

# "Utøya Reloaded" bei misanthrope

# "assoziation: zum massaker in norwegen" von momorules

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die norwegische verwandtschaft
"was sagt ihr denn dazu?"

[langes schweigen]
"die provozieren ja auch ziemlich mit ihren aufmärschen...
"

questions anyone? zb warum ich da nicht hinfahre?

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