Sonntag, 18. Januar 2009
worum es geht: polit

neulich, bei den burschen...
nachfolgender text über eine burschenschaftsveranstaltung mit dem rechtsextremisten und antisemiten horst mahler ist fast zehn jahre alt; ihn erneut aufzulegen hat sicher mehrere gründe.

da ist erstmal das faszinosum mahler, das ich nur bestaunen kann wie ein faszinierend häßliches ding. ein nacktmull. ein autounfall: schrecklich, aber man guckt doch.

und: da gibt's demnächst einen vortrag über diesen advocatus diabolicus (selbst gerhard schröder dürfte gelegentlich schlecht werden, wenn ihm einfällt, dass er ihm '88 seine anwaltszulassung erneut erstritten hatte). gehen sie hin, wenn sie am 27.01. in trier sind.

und: martin jander hat einen aufsatz geschrieben, er heißt ganz unprosaisch "horst mahler"* und ist in gekürzter form auch im netz zu finden, und zwar hier.

vor zehn jahren war bei unten beschriebenem event die bude noch rappelvoll, eine buntebraune melange aus kadernazis, skinheads und eben burschen.
und wir vier mittendrin, im raum verteilt. sie haben sich nicht getraut, da auch ein vertreter der lokalen presse da war. dessen artikel begann und endete übrigens mit einem eindringlichen "horst mahler ist ein gefährlicher mann". der nazi mit dem büchertisch wollte die ganze zeit über die schulter in meinen palm schielen, was ich denn da schreibe. leider war er zu klein.
die gesamte studentische verbindung ein "sammelbecken für rechte und neofaschisten".
eine äußerung, die wir leider auf dauer nicht aufrecht erhalten durften, da - so das gericht - das zu der zeit vielleicht zutreffend gewesen sein mochte, aber eben jetzt nicht mehr. die angesprochenen personen waren keine gründungsmitglieder der nationalistischen front.
also nicht mehr.
die war schließlich gerade vom verfassungsschutz verboten worden. dann konnten sie also somit keine mitglieder.... aha.
(usw.)

das zeigt sicherlich ein wenig, wie sehr einige studentische verbindungen nach ganz rechts abgedriftet sind und dass es eine enge verknüpfung zwischen der studentisch korporierten szene und der extremen rechten gibt.
wem das nicht reicht: ich lege ansonsten gerne noch etwas nach.

jedoch geht mahler langsam das publikum flöten. die große deutschlandtournee über die burschenschaftshäuser lässt sich nicht ewig ausdehnen, mittlerweile sind es eher kurze gastspiele in einem immer kleineren kreis, unregelmäßige aufenthalte in haftanstalten stören etwas den vortragsfluß. aber kein schaden, in dem nicht auch ein nutzen ist: seitdem er festgestellt hat, dass das gericht ihm zumindest eine zeitlang zuhören muss und - wenn es für ihn gut läuft - auch noch presse anwesend ist - hat er damit begonnen, sich selbst anzuzeigen. manche mögen das als narzisstische persönlichkeitsstörung bezeichnen, für eine solche einschätzung habe ich verständnis.

(außerdem waren hier in letzter zeit sowieso viel zu viele bilder;-)
und schon geht's los:

---------------------8<-------schnipp!---------------------------

Nun ja, wie ist das denn passiert? Da lädt die Burschenschaft [hier germanischen fantasienamen einsetzen] ein zu einem Vortrag von Horst Mahler und [wir] gehen hin? Wie, zu der Burschenschaft [...], die [...] - erwiesenermaßen nicht nur in Einzelfällen des Rechtsextremismus überführt - [...] uns immer wieder vor Gericht zerrt?
Nun ja, dieses mal haben sie sich wieder selbst übertroffen: “Gastredner” Horst Mahler, politischer Totalkonvertit - vom RAF-Terroristen zur Lichtgestalt des national(istisch)en Widerstands - lieferte eine klasse Show mit völkischer Versklavungsparanoia, plauderte aus dem politischen Nähkästchen seiner bewegten Vergangenheit und erklärte die Welt mit letztgültigen Wahrheiten ... und endlich habe ich verstanden, daß die RAF eine nationale Bewegung war.

Das ganze Gruselkabinett, Mahler auf hölzernem Throne, umringt von unseren Burschenfreunden, ließ es sich nicht nehmen, in seinem erlesenem Kreise auch [name], derzeit [lokaler] Vorzeigekaderfaschist einen Büchertisch organisieren zu lassen; doch oh Schreck, da mußten wir doch völlig verstört zur Kenntnis nehmen, daß wir alle Titel aus dem Verfassungsschutzbericht NRW kannten! Wie konnte das nur passieren in einem Haus, das sich mit einer Inbrunst auf seine demokratische Integrität beruft, daß es schon augenscheinlich verdächtig ist.

Und dann zog der Herr Mahler vom Leder, daß es nur so krachte: ganz abgesehen davon, daß mir nicht klar war, daß es in seinen (neuen) Kreisen so sehr nötig sein würde, seine politische Herkunft derartig zu verschleiern, daß der von ihm vor dreißig Jahren eingeschlagene Weg des Marxismus für ihn nun plötzlich nur ein Thesengebilde zur Verneinung der Kollektivschuld des deutschen Volkes war (gut, das ist sein persönliches Problem, die Geschichtsschreibung redet nicht von einer Kollektivschuld) und daß die damalige Forderung nach Herrschaftsfreiheit von den “Besatzungmächten” ein Schrei nach nationaler Selbstbestimmung war.

Auch der geführte Kampf gegen den Kultur- und Geldimperialismus der Vereinigten Staaten läßt sich von ihm in diesen Zusammenhang stellen, allerdings nicht ohne noch mächtig gegen die UrheberInnen dieser kapitalistischen Weltverschwörung zu wettern: “...das Geld ist an der Ostküste konzentriert, das hat mit dem amerikanischen Volk gar nichts zu tun”* . Unter Einbeziehung solch munterer Hiebe gegen das “Weltfinanzjudentum” bastelt er sich eine bunte Mischung aus Nationalismus und Sozialismus, hierzulande in dieser Konstellation vor geraumer Zeit schon einmal erschreckend populär gewesen. deshalb ist ja auch das “was von den Nazis gedacht wurde,(...) heute wieder aktuell”*. Eloquent formulierend umschifft er die Grenzen des politisch Akzeptablen, denn: “das Denkverbot muß gebrochen werden”, “wir müssen das wieder in die Diskussion führen”*.

Deshalb wundert es auch nicht weiter, daß “wir zusammenhalten müssen”*, sonst droht nämlich “Überfremdung”*, “das Boot ist voll”*, dann “sterben wir aus”*.
Oder besser noch: “Das deutsche Volk, leidend unter Selbstverneinung und Selbsthaß rottet sich selbst aus”*. Wünschenswert, wenn das unser Land sein soll; wer vorher noch keine Probleme mit seiner Staatszugehörigkeit hatte, kann jetzt langsam welche bekommen, denn das jetzige Deutschland ist ja noch lange nicht groß genug: denn die nach §23 GG der Bundesrepublik beigetretene DDR ist noch lange nicht Ostdeutschland, nein, hierbei handelt es sich um “Mitteldeutschland”*. Damit liegt der Rechtsanwalt Mahler ganz auf Linie der Grundsätze der “Deutschen Burschenschaft (DB)” , dem bundesweiten Dachverband, der sich noch nie besonders damit schwergetan hat, Deutschlandkarten mit Pommern, Schlesien, dem Sudetenland, Österreich, Südtirol, Elsaß-Lothringen und dem Westteil Belgiens auszustatten.

Und dann wird untermauert, worin das denn wohl alles zu begründen sei: Nicht etwa, daß es soziale Probleme gibt aufgrund von Ghettoisierung ausländischer Minderheiten, die von Arbeitslosigkeit und daraus resultierender sozialer Ungerechtigkeit am schnellsten und härtesten getroffen werden und ganz schnell in einen Teufelskreis der Abgrenzung geraten, die bei ihnen schnell an der “falschen” Hautfarbe festgemacht wird (es gibt auch genug sozial ausgegrenzte Weiße, die lassen sich nur schwerer als Kanacken beschimpfen); wiederum nein, denn “wenn Türken in der Mehrheit sind, werden sie herrisch und anmaßend”*. Aha. Da hofft man ja fast, daß es das letzte Mal richtig dolle weh getan hat.

Ach ja, wo wir gerade beim Schlagen sind: Mahler sieht “schlagende Verbindungen früher (welches früher? A.d.V.) im Koordinatensystem rechts, reaktionär geortet”*. Da mag man ja gar nicht fragen, wo sie jetzt zu orten sind; muß man auch nicht, die Antwort bekommt man ungefragt.

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alle mit * gekennzeichneten Zitate sind Originalzitate Mahlers

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