Sonntag, 26. April 2009
worum es geht: mobilität

durch/zug: ein urinöses geschäft
zug fahren: eine sache, die ich normalerweise gerne mache.
manchmal aber auch nicht (auch wenn das nur das zweitschlimmste erlebnis war).

die krönung jedoch bleibt die nicht enden wollende höllentour nach einem recht entspannten, heute würde man sagen chilligen, kleinen urlaub in ungarn. nach einer guten woche am balaton besuchten wir noch eine freundin in budapest, verbrachten dort nochmal ein paar tage auf dem wahrscheinlich gebirgigsten platz meiner campingkarriere (das eichhörnchen im logo trägt er nicht umsonst!) und bekamen nicht viel vom remmidemmi vor den toren der stadt mit - bis auf dass der begleiter einmal vor dem kempinski über ralph schuhmacher stolperte, wobei ihm, wie er zu meinem vergnügen etwas gelangweilt den eltern (gerade den eltern!) mobiltelefonisch kabelte, doch tatsächlich ein ei aus der hose gefallen sei. ich habe das nicht überprüft.

entspannt wie nie begeben wir uns also anlässlich unserer rückfahrt zum keleti pu, dem ostbahnhof.
der natürlich nicht "pu" heißt, hihi, sondern es handelt sich herbei um eine abkürzung für "pálya/udvar", einer lupenreinen spiegelübersetzung von, sie ahnen es schon, "bahn/hof". überhaupt gibt es relativ viele spiegelübersetzungen ins ungarische aus dem deutschen, da dürfte k.u.k. das seine geleistet haben, während nur wenige worte aus dem ungarischen den weg ins deutsche fanden, "kocsi" für kutsche (heute auch auto;-) ist überhaupt das einzige, das mir gerade einfällt und jetzt kommen sie mir nicht mit palatschinken!
egal.

der bahnhof ist ein bisschen überfüllt, schließlich ist gerade formel eins. zu ende.
und alle wollen zurück.
uns schwant übles, aber. alles wird gut, absolut.

während die "fans" in der sonstigen zeit vor den toren der stadt am hungaroring kaserniert waren und offenbar nur selten auslauf hatten, sind sie jetzt alle da.
in unserem zug.

wir erkämpfen uns unsere wohlweislich reservierten plätze.
so lange, bis die anderen kommen; schnörrestragende rheinländer, die das abteil für sich reklamieren. wie es in ihrer art liegt, sind sie laut.
gut, man hätte sich jetzt durchsetzen können. aber will man das, wenn es bedeutet mit vier angetrunkenen rheinländern in einem abteil zu sein, die einen dafür hassen, dass man da ist, weil man nicht mit ihnen über "den mischael" sprechen will, deren zwei freunde die ganze zeit in der tür (also auf unseren füßen) stehen und so ganz unmissverständlich kommunizieren, dass sich hier gerade zwei personen ihre reservierten plätze gepflegt in die perze schieben können? nein, will man nicht.
außerdem haben einzelne anwesende personen schon länger nicht geduscht.

die karten werden sowieso ganz neu gemischt, als kurz nach der abfahrt die klimaanlage ausfällt. in diesen modernen zügen kann man aufgrund der klimaanlage selbstverständlich nicht die fenster öffnen;
das verstärkt das olfaktorische problem um den, ich sachma olfaktor 10.
wir hingegen, junge hoffnungsvolle menschen, hatten noch des morgens dem gesamten körperhygieneprogramm gefrönt, dessen man auf einem campingplatz so habhaft werden kann.
ein schwer zu unterdrückender fluchttrieb zieht uns auf den gang, zum luftholen.
super idee, da sind dann die anderen hundertschaften. das wird dann wohl eine sehr besonders lange fahrt.

der grund für die klimaanlagenunpässlichkeit ist nach einer halben stunde behoben: der grund sind finanzielle schwierigkeiten des zugbegleitpersonals. billigstes ungarisches dosenbier wechselt zu premiumwestpreisen den besitzer. in dm.
ich beginne zu verstehen.

die druckbetankung bei 35grad hat zur folge, dass sich der zustand der zugbevölkerung ziemlich schnell von angetrunken über betrunken zu knallbreit verändert.
wir beschließen unsere flüssigkeitsaufnahme auf ein zum überleben notwendiges minimum zu beschränken - weil dann weniger müssen müssen, ergo weniger toilette - und beginnen mit anthropologischen studien.

wir wussten nicht, dass menschen so stinken können.
nach: schweiß, alkohol, schweiß, pisse, schweiß, kotze und übrigens auch nach schweiß.
reisen bildet ja ungemein.

etwas später finden wir die einzige mitreisende, die deutlich nicht zur meute gehört (alle anderen haben sich zu diesem zeitpunkt bereits fatalistisch dem suff ergeben): eine amerikanische rucksacktouristin, die ganz neue einblicke in das europäische verkehrswesen erhält.
nebenbei lernt sie noch, wie der aktuelle deutsche kanzler heißt - sie war noch bei kohl, das ist verzeihlich. sie beginnt aber trotzdem sich zu entschuldigen, unter anderem für das niedrige bildungsniveau ihrer landsleute und dass ihr von diesen selbst schon fragen nach hitler untergekommen seien; warum sie denn zu den nazis reise.
womit das thema da ist, wo sie es gerne hätte. aber: keine lust, viel spaß am ankunftsbahnhof, in der hauptstadt der bewegung, da gibt es unter diesem spezialaspekt sicher viel zu entdecken.

das fröhliche fest um uns herum steuert so langsam seinem höhepunkt zu.
wir sind froh, dass schuhmachers michael nicht gewonnen hat, sonst gäb's jetzt eine polonaise längs durch den zug, nackig und auf allen vieren.

wir schlafen in einem eigentlich abgesperrten abteil, das der patente mitreisende mit einem mitgeführten vierkantschlüssel öffnet und hinter uns wieder verschließt. ich bin etwas beeindruckt: nur ein ei, aber nützliches werkzeug.
unser gepäck geben wir verloren.

der nächste tag: wir sitzen also in diesem ic auf der schönen rheingold-strecke und können uns nach längerer und wahrscheinlich lauter diskussion (seit gestern sind wir spürbar ertaubt und verblödet) darauf einigen um welchen fluss es sich handelt.
das gepäck war überaschenderweise unberührt, die fahrradschlaufe mag das ihre dazu getan haben.
hinter jeder schleife des rheins ist die loreley, wir erkennen sie deutlich und begrüßen sie zur freude aller umsitzenden lautstark, jedes mal wieder.

nach dem wc-besuch stellen wir auch hier fest:

das betreiben von zugtoiletten ist ein urinöses geschäft.

ein infernalischer lachanfall rettet uns über die nächsten zwei stunden.
spätestens jetzt fehlt im gehirn etwas sauerstoff.
galoppierender verblödungswahnsinn.

wir werden erwartet und abgeholt. die einhellige meinung der abholenden lautet, dass wir noch niemals zuvor derart entmenschlicht aufgetreten sei. wir schämen uns dem umstand angemessen für etwa fünf sekunden und meißeln folgende zweite weisheit in stein:

wenn hungaroring ist, besser mit kocsi fahren.




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dies ist ein update zu dasselbe wie gestern
und
ein beitrag aus der serie durch/zug



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