Sonntag, 24. April 2011
worum es geht: polit

nai hämmer gsait!
so. da wären wir nun mal so weit: landtagswahlen in bawü. erinnert sich noch jemand?
innert baden-württemberg nennt das übrigens wohl niemand "bawü", da heißt das dann "bw". das hingegen bedeutet im rest der republik meistens "bundeswehr". was jetzt nix heißen soll.

ebenfalls bedeutet es sicher nix, dass das schnitzelkind mappus als trauriges beispiel für tragische frühverfettung in der deutschen politik so dick ist wie beide herausforderer zusammen. aber die deutliche visualisierung der tatsache, dass die cdu seit geraumer zeit - also seit 58 jahren - jeder opposition das essen wegfrisst, gefällt mir eigentlich hervorragend. sie wissen nicht, was ein schnitzelkind ist? das sind die kinder, deren eltern ihnen schnitzel um den hals binden, damit wenigstens die hunde mit ihnen spielen. es sei denn, die kinder mampfen die schnitzel selbst. womit wir wieder bei mappus wären.



der untergang des abendlandes der bawü-cdu beginnt schon deutlich vor s21, und zwar mit der inthronsiation des oldschool-verbinders öttinger, der später so überraschend gen brüssel verschwand. die zu seiner inthronisation nötige flüsterintrige gegen anette schavan (ob ihrer angeblichen sexuellen orientierung) war nur einer der sichtbarsten anzeichen des ausmaßes an verderbtheit dieser schlangengrube namens cdu.



und dann kam der autumn of hate 2010. und alles kam ins rutschen. ich hab jetzt lange überlegt, ob ich mal als fingerübung flott ein grobframing der stuttgarter revolte abliefere - aber das war gestern (vor allen dingen: mein gestern. ich mag nicht mehr.). meine gröbsten bedenken habe ich schon andernorts geäußert. *



die vorsichtige, aber deutliche anbindung an die aktionsformen des anti-atomwiderstands war ein strategisch weitsichtigeres vorgehen als man ursprünglich so geglaubt hatte - zum ersten mal hatte ich den eindruck, dort könnte etwas größeres passieren.



mir ringt zudem die ernsthaftigkeit der baumumarmungen tatsächlich respekt ab, ich könnte das in dem maße nicht.

die naivität, mit der man sich wild entschlossen ins getümmel schmiss um ein gebäude oder einen park zu bewahren - beides nicht gerade schmuckstücke ihrer zunft - und um sich die für neue soziale bewegungen adäquaten blessuren abzuholen vermisse ich sogar ein bisschen; mir ist sie derzeit irgendwo zwischen alma mater und positionspapieren abhanden gekommen.

von mir aus kann man teile des bahnhofs gerne schleifen, diese art der vielfach gelobten ''neuen sachlichkeit" führte auf direktem weg in die neue reichskanzlei, aber sicher nicht in die aufgeklärte moderne. im innenbereich gibt es etwas expressionismus, aber von außen... vielleicht wärmesanieren.

da gibt's möglicherweise sogar noch zuschüsse!



das hauptargument der bahnhofsschützer*innen war im direkten gespräch: der bahnhof sei schon über hundert jahre alt und deswegen dürfe man nicht. da kam ich dann nicht mehr ganz mit, dann darf man niemalsnicht wieder irgend etwas abreißen oder verändern.
andererseits: wenn ich mir das städteplanerische elend rund um den bahnhof anschaue, verstehe ich sogar die liebe zum hässlichen entlein.



winters im protestzelt wurde ich seinerzeit freundlich empfangen und im schwange einer nach meinem dafürhalten mäßig großzügig bemessenen spende sah ich mich neben den üblichen massenzeitungen und aufklebern plötzlich im besitz des tatsächlich final allerletzten s21-adventskalenders!
ich habe also schön am vierten märz angefangen, das erste türchen aufzumachen. und am 27. märz war bescherung.



keine ahnung, was da jetzt passiert in diesem bundesland, das sich die zwei volksgruppen leider wohl auch in zukunft werden teilen müssen. die bis heute anhaltende schockstarre mir bekannter schwäbischstämmiger cdu-funktionäre erfreut jedoch mein herz - zudem die bloße tatsache, dass einige menschen möglicherweise jetzt tatsächlich mal werden arbeiten gehen müssen.



die sonderbare melange aus wut und unzufriedenheit hat man wohl einfach nicht kommen sehen (wollen); mit der ihnen eigenen arroganz wollten die korrupten unionsnepotisten durchregieren und sind voll auf die schnauze gefallen. s21 musste kommen, was hätten sie sonst all ihren spezln erzählen müssen - schließlich war das fell des bären, die filetgrundstücke in der freiwerdenden neuen stuttgarter innenstadt und all die schönen milliardenbauaufträge schon meistbietend versteigert worden...



dieser sichtbare (und durchsichtige), schamlose versuch der mächtigen, das öffentliche eigentum unter der hand zu verschachern musste auch dem bravsten bürgerlichen cdu-wähler die wut- und schamesröte ins gesicht treiben; der herbeifantasierte "wutbürger" ist zum nicht ganz unwesentlichen teil ein ehemaliger cdu-anhänger. sonst wäre wohl auch nie ein so knorriges gewächs wie der kretschmann als wahlsieger aus der schlammschlacht hervorgegangen.



ich habe zwei sehr sehr lange vormittage jeweils die endlos-radio-interviews mit kretschmann und mappus durchlitten. und ich gestehe: dieser schwäbische räsonneur mit seiner unfassbaren langsamkeit und strunzreaktionären heimatverwurzelung hat mich beinahe mehr an den rand meiner geduld getrieben als es der aalglatte mappus inhaltlich konnte. mit dem werden auch gerade die bawü-grünen noch sehr viel freude bekommen. dieses wahlergebnis war zwar eine sensation, aber sicher keine revolution - etwas systemstabilisierenderes als die bawü-grüns kann man sich kaum vorstellen. nicht mal bei der grünen partei selbst. (naja. abgesehen von den hamburger grünen. oder den saarlaändischen. oder... *seufz*)
ich prophezeie also hiermit an dieser stelle verbindlich, dass es zum beispiel an orten echten systemumsturzes (also z.b. ägypten) eher eine gesetzlich verfasste studierendenschaft geben wird als im bundesland da unten links. von einer politisch eleganten lösung um s21 mal ganz abgesehen...



und: ja, fukushima kam wohl echt ungelegen. aber wohl nicht nur wegen der aktuellen atomanlagenhavarie haben viele wähler*innen die grünen gewählt. so einigen wird es wohl mit einem hammerschlag diesen fragwürdigen enbw-deal des landesfürsten wieder ins gedächtnis gerufen haben. nicht erst seit dem rumgeeiere um beschleunigten teilchenausstieg war die schwarzgelbe gefahr ganz offenbar ein denkbar schlechter partner der bevölkerung in sachen energiepolitik. das ruchlose fukushima-ablenkungsmanöver ist ihnen zum glück hart auf die füße gefallen.
auch in rheinland-pfalz hat es schließlich besonders die brüderle-fdp getroffen - und alles nur, weil er ausnahmweise mal die wahrheit ausgeplappert hat. gemein. aber gegen bussi-beck war wohl eh kein kraut gewachsen. aber was ficht das einen ausgebildeten weinköniginnenküsser an? in vino veritas.



am 26.03 gingen (zur großen überraschung der japanischen umweltbewegung) in deutschland 250 000 menschen friedlich auf die straße, um gegen die atommafia zu demonstrieren. obwohl man eigentlich eine menge gründe hätte finden können um das auch unfriedlich zu tun.
mit einigen verlusten bei den zentralkundgebungen, wo zwischen dem üblichen merchandise von unternehmungen** und parteien*** wohl mal wieder ob der wohlfeilen empörungsroutine von recyceltem staatskabarett oder des kulturprogramms mit russischen polkabands so einige gehirne stehengeblieben sein dürften, war es doch recht anrührend zu sehen, wie breit die bewegung mittlerweile angelegt ist. viele menschen sind mittlerweile alt geworden über ihrem kampf gegen die vermeintlichen windmühlen (jaja.), aber sie sind immer noch zornig. oder jetzt gerade wieder.



und heute nähert sich der tag der atomkatatstrophe von tschernobyl zum 25. mal. im rahmen des ostermarsches könnte man ja mal einen abstecher zum atomkraftwerk oder -lager des vertrauens machen. vielleicht sehen wir uns da ja. ganz ganz friedlich natürlich.
huch. jetzt aber los.


* wen das alles wahnsinnig interessiert, der/die möge sich zur einführenden eigenrecherche folgende literaraturtipps mit auf den weg geben lassen...
- Raschke, Joachim: Soziale Bewegungen. Ein historisch-systematischer Grundriß, Frankfurt/M. 1985.
(wo raschke irgendwo im vorderen drittel en passant nachweist, dass soziale bewegungen nicht zwangsläufig emanzipatorischen charakter haben müssen - auch der ns ist schließlich aus einer solchen hervorgegangen)
- Rucht, Dieter; Neidhardt, Friedhelm: Soziale Bewegungen und Kollektive Aktionen, in: Joas, Hans (Hg.): Lehrbuch der Soziologie, Frankfurt/M. 2003, S. 533ff
- Roth, Roland; Rucht, Dieter: Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch, Frankfurt /M. 2008

** wo sind die zeiten geblieben, als man noch vegetarisches essen auf einer solchen veranstaltung bekam? (von vegan red ich ja schon gar nicht!). wo ist das kollektief rampenplan, wenn man es braucht?

*** ich zählte in köln: grüne, spd, piraten, ödp, mlpd und "die partei" (mit dem besten plakat)


... link (22 Kommentare) 5880x   ... comment