Donnerstag, 6. März 2008
worum es geht: kommunikation

durch/zug: rot-weiss
neulich samstags zug gefahren.

warum hat das indisch anmutende pärchen bollywoodsoundtracks auf dem speicherchip des mobilen telefons? und warum müssen sie sie hier im zug hören? und warum muss ich das jetzt hören? hatte ich schon mal erwähnt, dass mir ethnopop häufig körperliche schmerzen zufügt?

"nächster halt: ahlen, westfalen"
fünfhundert rot-weisse menschen schneien mal grad eben so rein. mit pauken und trompeten. das rauchverbot ist nach dreissig sekunden aufgehoben
"nichtraucherschutzgesetz, schalalalah!
nichtraucherschutzgesetz, schaaah-lalalalah!"


"nächster halt: hamm in westfalen"
gespräch hinter mir.
"für mich gibbs nur fussball und ruckzuck is da auch nix anderes mehr. die alte muss gehen, wenn ich mich entscheiden soll - und freunde, ha! die eine hälfte ist drogensüchtig, tot oder im knast. die andere verheiratet. und da ist dann nur noch der [liebevoll-despektierliche buddy-bezeichnung]"
und jetzt folgt eine perfekte fallstudie protestierender männlichkeit* à la connell. hilf- und gnadenlos verrannt in überkommenen männlichkeitsvorstellungen, die mit stolz, aber auch mit der gleichzeitigen bürde von betonschuhen mit sich rum getragen werden. es ist ein kreuz.

"nächster halt: kamen"
lautes grölen auf der zwischenebene
"...und wenn die türen freigegeben werden, können wir auch weiterfahren"
zehn minuten später beginnen erste teile der besatzung in übersprungshandlungen mit knallroten köpfen auf die sitze einzuschlagen. warum? weiss ich doch nicht.
"aufgrund einer türstörung haben wir jetzt zehn minuten verspätung"
grölen auf türebene, wutausbrüche bei mir im oberdeck.
"fahr weita, du spast!"-suada in diversen variationen...
erstaunlich stabil, diese sitze.
schönen dank auch. ich habe jetzt auch verspätung, und das wird bestimmt nicht weniger.

"nächster halt: dortmund"
wenigstens auch nicht homophober als die durchschnittsbevölkerung, wie sich im verlauf rausstellt... mann muss sich ja auch irgendwie arrangieren; das ist schliesslich die tragik von männerbündischen organisationen, dass sie beständig hegemoniale männlichkeitsvorstellungen reproduzieren, aber homoerotik natürlich nicht dulden können. blöd, wenn dann nur männer da sind.
"und mir is egal wasser so mitte hose macht wenna mich nich anpackt" - "der [a] ist halt sensibel. sitzt da wegen dem [b] seine eltern und heult. weil hatter nie gehabt, sachter."
überraschend. meine augen tränen.
(vor rührung. ach ne, doch der rauch.)

"nächster halt: bochum"
im bahnhof steht der zug der erinnerung...
bommmmm... "zug"
bommmmm... "der"
bommmmm... "lü-"
bommmmm... "-ge!"
toll. ich ziehe die kapuze über den kopf.
ein einsamer rufer redet halblaut von "rechtem scheiss".

"nächster halt: wattenscheid"
nicht enden wollende apologetik:
"weisse, die fussballfans werden immer verarscht, vom verein, vonne bullen, von'n staat - wir sind immer dat letzte...."
na klar. weils ja auch ein menschenrecht ist, mir mit hunderten menschen auf den sack zu gehen. und da wunderste dich, dass ich sage, dass du stinkst?
was riecht hier eigentlich so?

"nächster halt: essen"
ein kantiger kopf von hinten zwischen den sitzen hindurch: "was liest'n da? ist da auch fussball drin?" - "ich, öhh, ochnö, diesmal nicht..." - "ne antifa-zeitung ohne sport! tststs...!" der zug hält. das, äh, passt ja gerade gut.

der weg von ahlen nach essen kann erstaunlich lang sein.
kann mal jemand etwas bollywoodmucke anmachen?
danke.



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* s.117ff; insbesondere auch die kapitel "zwangsheterosexualität" und "männlichkeit als kollektive praxis" in r. connell, "der gemachte mann. konstruktion und krise von männlichkeiten"




edit 31.03.:


ein beitrag aus der serie durch/zug

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