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Montag, 3. November 2008
worum es geht: stadtlandfluss
"das wort aus stein" *
vert, 01:47h
während herr cabman dankenswerterweise ein paar bilder vom bunker im herzen der stadt geschossen hat (deren qualität ich hiermit ausdrücklich preisen möchte), habe ich mich derweil gefragt, wie man diese sonderform faschistischer architektur in den rahmen des bekannten einordnen kann.
bauen im nationalsozialismus war mehr als nur die propagierte abkehr vom neuen bauen, das mit seiner nüchternheit der formsprache und den sozialen standards den machthabern ein dorn im auge war.
bauen im ns bedeutet mehr als die verneinung von flachdachbauten und rückkehr zum angeblich ursprünglicheren satteldach.
der begriff ns-architektur umfasst mehr als die geläufigen repräsentationsbauten. auch die funktion anderer bautypen wie siedlungen, schulen, hj-heime oder pure zweckbauten war dem leitbild des nationalsozialistischen staates unterworfen:
die absicht, das individuum ganz in der "volksgemeinschaft“ aufgehen zu lassen und dem faschistischen darstellungswillen unterzuordnen, fand vielerlei ausdrucksformen.
während die gestaltung offizieller staats- und parteibauten von oberster stelle (der gröaaz gab persönlich die rahmenbedingungen vor) diktiert wurde, war die „blut- und boden-architektur“ im ländlichen raum eher vage definiert und blieb einem gewissen ämterdarwinismus überlassen – häufig war nicht klar geregelt, wer überhaupt dafür zuständig war. zweckbauten zum beispiel waren zum teil ganz ausgenommen aus dem nationalsozialistischen architekturkonzept.
(diese hierarchische gewichtung spiegelt unter anderem auch die tatsache wider, dass es mehr als eine auffassung über die ausgestaltung der idee nationalsozialistischen bauens gab.)
einige sonderformen unter den bautypen können den menschenverachtenden charakter dieser idee unterstreichen: behelfsheime für ausgebombte, konzentrationslager und natürlich die flakbunker wurden akribisch geplant und waren in das gesamtkonzept des faschistischen staates eingebunden.
diese ausformung eines hochgeometrischen „schieß-doms“ sollte in das stadtbild eingebunden werden, in berlin zum beispiel in beziehung stehen zu den geplanten achsen. strategisch schon während des krieges überholt, boten flakbunker als militärische kultstätten wohl eher psychologischen schutz.
in diesem zusammenhang möchte ich auf einen fantastischen artikel** aus der zeitschrift forum wissenschaft hinweisen, deren bezug ebenso fantastisch mit einer mitgliedschaft im bdwi verbunden werden könnte - eigentlich unerläßlich für an bildung- und wissenschaftspolitik "in gesellschaftlicher verantwortung" interessierte...
________________________________
* Vgl. ns-propagandafilm das wort aus stein (pdf).
** Vgl. Henning Angerer, Betonierte Machtgesten. Architektur und Symbolik nationalsozialistischer Flakbunker, in: Forum Wissenschaft, Nr.1, Januar 2001, Bonn 2001, S. 10-13.
ansonsten:
- Nerdinger, Winfried: Baustile im Nationalsozialismus, aus: Kunst und Macht im Europa der Diktatoren 1930-1945, London/Barcelona/Berlin 1996, S. 322-325
- Mittig, Hans Ernst: NS-Stil als Machtmittel, aus: Romana Schneider/Wilfried Wang (Hg.), Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 2000, Bd. 3: Macht und Monument, Ostfeldern-Ruit 1998, S. 101-115
- Schönberger, Angela: Die Neue Reichskanzlei in Berlin von Albert Speer, aus: Warnke, Martin(Hg.): Politische Architektur in Europa vom Mittelalter bis heute – Repräsentation und Gemeinschaft, Köln 1984, S. 247-266
- Rodenstein, Marianne/Böhm-Ott, Stefan: Gesunde Wohnungen für gesunde Deutsche. Der Einfluß der Hygiene auf Wohnungs- und Städtebau in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“, aus: Gert Kähler (Hg.), Geschichte des Wohnens, Stuttgart 1996, S. 453-556
- Dülffer, Jost/Thies, Jochen/Henke, Josef: Hitlers Städte, Köln 1978, S. 3-25
- Miller Lane, Barbara: Architektur und Politik in Deutschland 1918-1945, Braunschweig 1986, S. 123-206
bauen im nationalsozialismus war mehr als nur die propagierte abkehr vom neuen bauen, das mit seiner nüchternheit der formsprache und den sozialen standards den machthabern ein dorn im auge war.
bauen im ns bedeutet mehr als die verneinung von flachdachbauten und rückkehr zum angeblich ursprünglicheren satteldach.
der begriff ns-architektur umfasst mehr als die geläufigen repräsentationsbauten. auch die funktion anderer bautypen wie siedlungen, schulen, hj-heime oder pure zweckbauten war dem leitbild des nationalsozialistischen staates unterworfen:
die absicht, das individuum ganz in der "volksgemeinschaft“ aufgehen zu lassen und dem faschistischen darstellungswillen unterzuordnen, fand vielerlei ausdrucksformen.
während die gestaltung offizieller staats- und parteibauten von oberster stelle (der gröaaz gab persönlich die rahmenbedingungen vor) diktiert wurde, war die „blut- und boden-architektur“ im ländlichen raum eher vage definiert und blieb einem gewissen ämterdarwinismus überlassen – häufig war nicht klar geregelt, wer überhaupt dafür zuständig war. zweckbauten zum beispiel waren zum teil ganz ausgenommen aus dem nationalsozialistischen architekturkonzept.
(diese hierarchische gewichtung spiegelt unter anderem auch die tatsache wider, dass es mehr als eine auffassung über die ausgestaltung der idee nationalsozialistischen bauens gab.)
einige sonderformen unter den bautypen können den menschenverachtenden charakter dieser idee unterstreichen: behelfsheime für ausgebombte, konzentrationslager und natürlich die flakbunker wurden akribisch geplant und waren in das gesamtkonzept des faschistischen staates eingebunden.
diese ausformung eines hochgeometrischen „schieß-doms“ sollte in das stadtbild eingebunden werden, in berlin zum beispiel in beziehung stehen zu den geplanten achsen. strategisch schon während des krieges überholt, boten flakbunker als militärische kultstätten wohl eher psychologischen schutz.
in diesem zusammenhang möchte ich auf einen fantastischen artikel** aus der zeitschrift forum wissenschaft hinweisen, deren bezug ebenso fantastisch mit einer mitgliedschaft im bdwi verbunden werden könnte - eigentlich unerläßlich für an bildung- und wissenschaftspolitik "in gesellschaftlicher verantwortung" interessierte...
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* Vgl. ns-propagandafilm das wort aus stein (pdf).
** Vgl. Henning Angerer, Betonierte Machtgesten. Architektur und Symbolik nationalsozialistischer Flakbunker, in: Forum Wissenschaft, Nr.1, Januar 2001, Bonn 2001, S. 10-13.
ansonsten:
- Nerdinger, Winfried: Baustile im Nationalsozialismus, aus: Kunst und Macht im Europa der Diktatoren 1930-1945, London/Barcelona/Berlin 1996, S. 322-325
- Mittig, Hans Ernst: NS-Stil als Machtmittel, aus: Romana Schneider/Wilfried Wang (Hg.), Moderne Architektur in Deutschland 1900 bis 2000, Bd. 3: Macht und Monument, Ostfeldern-Ruit 1998, S. 101-115
- Schönberger, Angela: Die Neue Reichskanzlei in Berlin von Albert Speer, aus: Warnke, Martin(Hg.): Politische Architektur in Europa vom Mittelalter bis heute – Repräsentation und Gemeinschaft, Köln 1984, S. 247-266
- Rodenstein, Marianne/Böhm-Ott, Stefan: Gesunde Wohnungen für gesunde Deutsche. Der Einfluß der Hygiene auf Wohnungs- und Städtebau in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“, aus: Gert Kähler (Hg.), Geschichte des Wohnens, Stuttgart 1996, S. 453-556
- Dülffer, Jost/Thies, Jochen/Henke, Josef: Hitlers Städte, Köln 1978, S. 3-25
- Miller Lane, Barbara: Architektur und Politik in Deutschland 1918-1945, Braunschweig 1986, S. 123-206
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