Sonntag, 15. März 2009
worum es geht: polit

motiv frauenhass
das ausmaß des medialen und argumentativen armutsbeweises der traurigen ereignisse von winnenden lässt sich nur mit allgemeiner ratlosigkeit erklären.
und ich bin dankbar um jede stimme, die das auch zugibt.
so wie ich auch - hiermit ganz offiziell.

blogs, tv, print, radio - alles ist voll mit empörungs- oder beschwichtigungsexpertokratie auch ausgewiesener nichtexpertInnen; und ich leider mittendrin.

ich habe für mich versucht, ein, zwei andere sichtweisen (auch in den kommentaren) zusammenzusammeln und stolpere immer wieder, wie auch in meinem ursprungstext über die tatsache, dass es männliche täter sind. und dass im aktuellen fall fast ausschließlich mädchen und frauen getötet wurden.
ohne eine geschlechterspezifische betrachtung von gewalt und gesellschaft kommen wir nicht weiter - wobei ich nicht weiß, ob mich dieser beitrag und seine hoffentlich hilfreichen kommentatorInnen weiterbringt. oder ob es irgendjemanden dazu bringt, etwas anders zu sehen oder das auch nur zu versuchen.
wahrscheinlich überzeugen wir nur wieder die überzeugten, das aber gut.

mit dem "klassischen" differenzfeminismus, der gelegentlich mit einer wenig zielführenden (selbst)viktimisierung von frauen seinen tiefpunkt erreicht, kann ich schlichtweg nichts anfangen. daher sind mir auch die ausführungen luise puschs, der grande dame der deutschsprachigen feministischen linguistik, nur begrenzt zugänglich, wobei das dort verlinkte taz-interview mit rolf pohl sehr gut ist und einen kurzen (und verständlichen!) überblick über das konzept hegemonialer männlichkeit* gibt.

jedoch: das elend, das wir vorfinden (und damit meine ich nicht den erbarmungswürdigen zustand der schwäbischen ermittlungsbehörden oder die widerlich-reißerische berichterstattung auf fast allen kanälen) zementiert geschlechterdichotomie auf eine derart unerhörte art und weise, dass man eigentlich blind sein muss, um es nicht zu sehen.

ich pflichte alice schwarzer bei (und das kommt nicht oft vor), wenn sie in der emma feststellt, es handele sich um ein "Massaker mit dem Motiv Frauenhass". ob es sich dabei wirklich um "das erste" handelt sei mal dahin gestellt; und ohne polemische auslassungen wie "Der 17-Jährige soll "Depressionen" gehabt haben. Wir alle kennen depressive Frauen. Morden sie? Nein, höchstens sich selbst." wäre der text noch besser.

von geschlechterdekonstruktion kann nur reden, wer dieses massaker ausblenden kann, manchmal ist gender vielleicht auch nur eine konstruktion für den akademischen elfenbeinturm. selten ist männlicher wahn mit männlicher körperlichkeit nachhaltiger kongruent gewesen. nachhaltiger hat seit wahrscheinlich langer zeit niemand seinen geschlechterspezifischen wahn in fremde körper eingeschrieben, ohne dabei direkt sexualität als waffe zu gebrauchen.
der tod als sexualisierte vernichtung ist in diesem fall wenig perfide, jedoch umso grausamer in seiner offenbar beabsichtigten konsequenz.

ich breche hier ab. wieder keine "lösung", aber vielleicht ein weiterer baustein zum verstehen, auch wenn das einigen männern (und wahrscheinlich weniger frauen) die welt auf den kopf stellen sollte.

ich zähle auf sie.



*raewyn connell: der gemachte mann. konstruktion und krise von männlichkeiten, opladen 1999

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