worum es geht: stadtlandfluss

Dienstag, 18. August 2009

"...vor Sturm, Brand und Ungewiter"

"Bewahr uns vor Tagen herb und bitter,
vor Sturm, Brand und Ungewiter"

Spruchbalken Fachwerkhaus, 19. Jh.

bedeutete ich neulich noch, dass es hier ruhig sei, sehr ruhig, und dass der besuch von jehovas zeugen eines der größeren gesellschaftlichen ereignisse des auslaufenden jahrzehnts sei, muss ich mich nun etwas zurücknehmen.

auch wenn der nachbarin der schreck noch in den gliedern steckte: "ich dachte erst, das wären gerichtsvollzieher!" - es sollten noch ein paar weitere schrecken dazu kommen.

denn was sehen sie hier?



hier sehen sie die geißel alter höfe bei der arbeit.
es brennt.

ich war der erste dort hinter dem berg, in sandalen und kurzer hose; ich konnte ja doch nichts machen, ich habe es nicht gelernt. trotzdem wäre es nicht das erste mal, dass die bewohner bei der ernte sind und bei der rückkehr schlagen schon die flammen aus dem dachstuhl. vielleicht kann man den notruf absetzen oder die oma im rollstuhl auf die straße fahren.

das feld brannte, wahrscheinlich hatte einer der lkw-fahrer seine kippe entsorgt. das kommt davon, wen man sich die ernte von fremden, von fuhrunternehmern in mulden vom feld fahren lässt. kein verständnis, kein gespür., alles strohtrocken. das feuer zog in rasender geschwindigkeit und zwei meter hohen flammen auf den hof zu, vor dem ein riesiger holzhaufen wohl eher keine barriere gebildet hätte... die bewohner hatten den hof aufgegeben, sie kamen mir durch die rauchwand mit schreckgeweiteten augen entgegen gelaufen. welch ein verdammter alptraum.

die feuerwehr war gerufen, man konnte nichts mehr tun.
doch: sich verpissen, nicht im weg rum stehen, nicht die straße, die einzige zufahrt, verstopfen. also drehte ich um und schickte alle entgegenkommenden auch zurück. darunter verwandte, nicht einfach.

ich möchte mich entschuldigen. ich kann dem dorfleben nichts abgewinnen und die feuerwehr gehört dazu. ein haufen degenerierter trunkenbolde in einer paramilitärischen vereinigung. das ist alles immer noch richtig, aber: sie sind offenbar sehr gute feuerwehrleute.

sie haben alles richtig gemacht. sie waren schnell. sie waren richtig gut und haben das haus gerettet, der brand ist rund ums haus gelaufen, hat die alten obstbäume angefressen und die neue hecke. das ganze feld ist zwar verbrannt und hinterher mussten sie auch noch den wald retten. aber: meinen respekt.



es wurde alles genutzt was da war, die bauern haben brandgräben gepflügt und mit güllefässern wasser ausgefahren. ich bin verdammt froh.
so viel sommer kann ich nicht so gut leiden.

selten wurde so einigen der sinn von steuern und abgaben so glasklar dargelegt wie an diesem tag. und ich weiß nicht mal ob sie biber hatten.

gut, dass nicht gerade auch schützenfest war.

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Gemeinsinn, bestimmt auch ein bisschen. Auch bei degenerierten Trunkenbolden. Und Eifer.

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Das sind Dinge, die mir als Stadtkind fremd geblieben sind, die ich aber aus der Distanz gut kenne: Die "freiwilligen" in den umliegenden Dörfern, die Wettbewerbe, auch die Feste. Neulich erst las ich, dass diese Kultur wegbricht - mit sehr weitreichenden Auswirkungen. Nicht nur, was die entscheidenden Minuten bis zum Eintreffen beim Brand angeht.

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die worte sind hart, aber ich habe da so meine erfahrungen; von außen, aber eben zwangsläufig nah dran. (also jetzt nicht räumlich, da ist das alles schon fast wieder stadt...)
natürlich ist es nicht überall so, natürlich gibt es auch hier vernünftige menschen (vielleicht), und natürlich ist das alles sinnvoller gemeinsinn, der die meisten antreibt.
aber der eifer erschien mir seinerzeit schon der gleiche pathologische zu sein, der auch in den augen von pyromanen die funken sprühen lässt. insofern eine sinnvolle kanalisation.

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Vorgestern
gerieten die Büddenwarderin und ich in ein Schützenfest, die Kapelle der freiwilligen Feuerwehr sollte aufspielen. Sie war verhindert, verkündete der Conférencier, da sie eines Brandes wegen ausrücken mußte ...

Ich bin – wie Sie – schon sehr froh darüber, daß es sie gibt. Sie haben noch jedes Mal gerettet, was zu retten war. Und ich kenne den einen oder anderen, der kein degenerierter Trunkenbold ist und auch alles andere als paramilitärische Ambitionen hat. Einer davon betreut eine Jugendfeuerwehr. Und auch als sogenannter Erwachsener spreche ich gerne mit ihm.

Sicher – Ausnahmen ...

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jetzt habe ich oben schon alles geschrieben, aber da sagen sie noch was:
die kapelle dürfte einer der hauptgründe gewesen sein, sich gegen eine mitgliedschaft und für den abbruch der weiteren etwaigen beziehungen zu entscheiden.
der alles umklammernde arm der dörflichen gemeinschaft ist nicht für jeden etwas.

(aber zwei, drei stunden später hätte es ein ernsthaftes mobilisierungsproblem gegeben, oder? ;-)

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Auch ich kann
mir nur schwerlich vorstellen, einem solchen Teil einer Dorfgemeinschaft angehören zu wollen. Nicht nur, weil ich die allgemein üblichen Bier- und Kornmengen nicht in mich hineinschütten wollte und auch nicht könnte. Auch die Begleitmusik schützt eher das Fest als mein Gehör (nach den Längerfrischen sollte die Feuerwehr musikalisch aufblasen).

Jaja, das ist schon so. Möglicherweise hätte es tatsächlich zwei, drei Stunden später ein Mobilisierungsproblem geben können. Einbringen muß ich dabei allerdings die während der Einsatzverkündung geäußerte Überraschung der Dorffachfrau: Die wunderte sich insofern, als normalerweise bei einer solchen Festivität eine Feuerwehr aus der (entfernteren) Nachbarschaft in die Stiefel und die roten Renner hüpften. Selbstverständlich hätte die für diesen Zeitraum alkoholfrei. Das glaube ich zumindest. Wissen tu' ich's also nicht ...

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wahrscheinlich ist das so. die sind ja auch nicht doof.

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Sehen Sie mich beeindruckt ob Ihres Mutes und Einsatzes!

Sie sind schon längst assimiliert, Sie wissen es nur noch nicht. ;-)

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welcher mut? welcher einsatz? selbst für leute, die erwiesenermaßen miese idioten sind, würde ich das tun, das verdient niemand.

ich wusste ja spontan nicht mal mehr, wie der älteste sohn in meinem alter hieß, den ich drei stunden später bei einem beiläufigen spaziergang traf.
vielleicht sind das borg. könnte natürlich sein.

(oh mein gotthöheres wesen, das wir verehren! mir wachsen gerade epauletten!)

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bisschen viel sommer ...
Das war also gemeint. Junge, Junge ...

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ach ja, ich orakelte ausnahmsweise auswärts.

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also...
eines muss ich sagen-
bei allem, was auch an negativen dingen in den wehren stattfinden kann, wenns denn brennt, sind sie zur stelle. , sie helfen ohne zu fragen, warum sie sich für andere selber in gefahr begeben müssen. es sind wenige, die freizeit und verantwortung übernehmen wollen, aber viele, die dann schreien, wenn es brennt.

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das weiß ich doch alles. so selbstlos hingegen empfinde ich das nicht, es verschafft alphapositionen im sozialgefüge.
das ist nicht unredlich, sondern eben menschlich.
allerdings wollen die wenigstens noch retter werden und nicht rapper oder pornostar.

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und menschen
sind wir alle-
oder eben rappender retter...
die jugendfeuerwehr hat jedenfalls meinem söhnchen gutgetan. in der zeit als er als punk durch die dörfer zog, mit roten rasta-locken und ratte auf der lederjacke ( aus plüsch!!) und aufgenähten gabeln und versucht hat, die omas hier zu schocken. da er oft im blauen feuerwehr- dress mit hoch oben thronendem helm ( bei den haaren nicht zuzukriegen) auf irgendwelchen treckern zum müll sammeln durchs dorf gefahren ist, hat hier vor ihm oder seinen freunden niemand angst gehabt. im gegenteil. die omas fanden die "so niedlich".

und alphapositionen... ja- aber, bei meiner tochter an der uni gings oft schlimmer zu.......

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für den eine passt's, für den anderen ist es die hölle - aber das sind ja bekanntermaßen immer die anderen...

hochschulhackordnung - das ist noch mal eine ganz andere geschichte.

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hoch lebe
die gute durchmischung. anders wär`s doch langweilig....:-)

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Auf dem Torbogen unseres früheren Hauses stand, vom Vater eigenhändig in Fraktur eingemeißelt "Gott schütze dieses Haus vor Sturmeswut und Feuer, vor Hagelschlag und Steuer."
Ganz am Ende beim Vorzeichnen, stellte er fest, dass der Platz nicht reichen würde und begann fluchend von vorn. Mich hat das Fluchen damals extrem beeindruckt.

Gut, dass es soweit glimpflich ablief.

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Sie kommen doch gar nicht aus Wedel.

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das oben angesprochene haus ist an der stirnseite irgendwas um fünfzehn meter breit. da ist noch mehr platz für mehr spruch.

ich überlege gerade, ob sprücheklopfer im 19.jh. ein ausbildungsberuf war.

die sprüche scheinen mir standardbeschwörungen zu sein.
vielleicht gab es ein handbuch "die besten sprüche für ihr haus".
am steuerbezug merkt man den grad der zivilisationurbanisierung...

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