worum es geht: kommunikation

Dienstag, 9. Februar 2016

alles roger
ich habe ihn aus dem fernsehen, in einem alter als ich grad zu verstand kam.
ich war fasziniert vom irrlichternden verstand, von der inneren ruhe, von der unarroganten souveränität, mit der er seine gespräche führte, von der freundlichen spitzfindigkeit, der genauigkeit in der beobachtung und der pudelentkernung. grade diese aufrechte neugier, mit der er sich offen und kopfüber in geschmähte formate warf, diese fröhliche unbotmäßigkeit im dienst trug ihn auch durch radio, roman, sachbuch, reportage, theater, film uswusf.

völlig unerklärlich, dass er dabei noch leere tage hatte. aber erklärlich, warum er sie liebte.
Inbegriff von Glück für mich: ein leerer Tag. Ein Tag an dem ich niemanden anrufen muss, an dem ich keine Post beantworten muss, keinen Auftritt habe, verwahrlose, langsam meinen Bart wachsen höre, das ist gut. Die Bäume rauschen, die Musik.

(...und bei 29.15min ist vllt auch was für herrn kid dabei;-)

wie ich diese nuschelnden sloterdijkiaden hasse, die für gewöhnlich das bildungsbürgertum in ihrer distinktion produziert. dieses wort und bild gewordene nach-unten-treten, den antiproletarischen schutzwall, errichtet aus dünkel und ressentiment. und dann sehe ich jemanden mit charlotte roche und ferris mc "wahrheit oder pflicht" spielen und sich sichtbar mühen, nicht allzu neidisch zu sein, dass er nicht selber auf das format gekommen ist (Teil 2, 3, 4). eine lichtgestalt aus der braun'schen röhre.
und jemand, der mir den titel dieses beitrags zumindest vergeben hätte... (na, wer hat gestöhnt am anfang? also mindestens so, als erlitte man existenziell transzendentale obdachlosigkeit?;-)

ich behaupte, die meisten, die ihn jemals auf einem der vielen kanäle wahrnahmen, haben ihren willemsen-moment. bewahren sie ihn.

die sendezeit ist jetzt leider vorbei.

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Vielleicht kenne ich ihn zu wenig, um jemals die rechte Begeisterung empfunden haben zu können: Denn einerseits verstehe und unterzeichne ich all das, was da oben um "Sloterdijk" herum formuliert ist. Andererseits habe ich den Herrn Willemsen aber auch als trotzdem-irgendwie-affektiert verbucht, und das ist gar nicht so einfach auszudrücken. Wenn der bei Wahrheit oder Pflicht seinen nackten Fuß ins Klo gestellt hat, kam er mir (aus der Erinnerung, ich kann das jetzt nicht alles noch mal ansehen) auch ein wenig vor wie der Klassenstreber, der sich auf der Party mal ganz bewusst unters gemeine Volk mischt, um Anerkennung buhlend, seht, ich trinke auch Bier aus der Flasche. Auch die "Zeit"-Kolumnen, vierteljährlich im Magazin, hatten für mich etwas Routiniert-Blasiertes, ja ja, schlimm schlimm, diese dummen Politiker und Normalbürger.

Es gab einzelne Momente, an die ich mich gerne erinnere, z.B. den Schlag gegen die nun wirklich verachtenswerte Heidi Klum, oder ein Interview mit Konsul Weyer, das diesen in all seiner Verkommenheit vorführte: Das hatte er drauf, und dumm war er ganz sicher nicht. Schön auch ein immer länger werdender Satz in einer "Über-Medien"-Diskussionsrunde mit den ganzen Talkern, als es um Guido Westerwelle und dessen darstellerische Fähigkeiten ging.

Und doch, manchmal wirkte das auf mich auch arg selbstverliebt, und das Stück übers Dschungelcamp habe ich schon damals nicht verstanden, das wirkte fast wie eine Übung in "Ich kann für und gegen alles argumentieren, bis euch schwindelig wird". Aber vielleicht können solche Leute auch nicht anders, intellektuell gesegnet und frei aller materiellen Sorgen, will sagen: Vielleicht bin ich ja nur neidisch.

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achnaja, wer würde bei dieser pflicht schon in begeisterungspurzelbäume ausbrechen. natürlich ist er streber und clown in einer person. aber - und am ende kommts doch darauf an - er hat den fuß ins klo gesteckt;-)

und vielleicht ist es bei diesem grad der vergeistigung auch ziemlich schwierig, nicht ätherisch zu werden. ich glaub halt, dass er sich trotz aller gelegentlichen volten letztlich immer die bodenhaftung zurückgeholt hat.

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Eine alte Freundin, dachte ich, aber dann stellte sich heraus, dass Willemsen sie gar nicht kannte. Die Empathie, mit der er Menschen begegnete, war erstaunlich, gleichzeitig aber auch etwas beliebig und – diesem unangenehmen Gefühl konnte man sich nicht so richtig entziehen – auch etwas routiniert, denn wenn man vielen auf so emphatische Weise begegnet, entwickelt man eine Verhaltenstechnik, die die Empathie nur als solche erscheinen lässt.

Hier noch mal ein paar interessante Gedanken und Erinnerungen, in denen ich ein paar meiner unscharfen Eindrücke wiederfinden konnte.

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eine deformation professionelle, fürwahr. das ist natürlich kommunikativ verheerender, als wenn man als kfz-schlosser ständig auf spaltmaße guckt...

bittermanns einschätzung sagt mehr über ihn als über willemsen. er hat offensichtlich nur die antideutsche attitüde abgefragt, mehr wollte er nie hören. und wem dann willemsen zu viel florett war, muss wohl weiter mit den vollpfosten arbeiten.

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Er wird es mir von da drüben hoffentlich nicht übel nehmen, dass ich mich redlich bemühte, ihn schlecht zu finden. Es ist mir freilich nie so richtig gelungen, denn es gab tatsächlich eine ganze Reihe von Sachen, die er gut und richtig gemacht hat (für mich zum Beispiel: das legendäre Interview mit Helmut Markwort). Oder seine allerersten Zeitmagazin-Kolumnen aus seiner Londoner Zeit.

Auf der anderen Seite könnte ich es nicht präzise benennen, was mich an ihm störte, was ich tendenziell leicht peinlich fand. In der SZ hieß es, was will man an einer Wurst kritisieren, die sich selber schon zum Räuchern rausgehängt hat, und exakt das ist die Frage, die ich für mich auch nicht beantworten kann.

Aber er wird fehlen, dieses eine ist gewiss!

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yes, wie verkniffen markwort schon nach dem lüsternen einspieler guckt. wunderschön. wenn man da weiß, dass es danach fast noch besser wird... gnihihi.

"peinlich", ja, das stimmt. ich schätzte, dass er das wusste und mit grandezza trug und trotzig ausbaute. er war kommunikativ ein "weicher mann", wenn er nicht so groß gewesen wär, hätte man versucht, ihn mit einer effeminierungskampagne zu diskreditieren. diese optische ambivalenz ist einigen - grade männern - schräg runter gegangen. vor allen dingen, weil er ja durchaus trotzdem fies sein konnte (s.o.).

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nachtrag:
vielleicht mochte ich genau diese genderunspezifische zickigkeit, mit der er raubvogelartig auf die geistig und/oder argumentativ unbewaffneten herniederstieß - und hier hat er nur gegner*innen gesucht, die es auch verdient hatten; sich wie andere über karl arsch in der fusgängerzone zu belustigen ist ihm meines wissens schlichtweg nie passiert.

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nachtragnachtrag:

musste grade etwas lachen: kaum rufe ich dem willemsen nach, schreibe ich kaskadierende satzperioden, die sich fröhlich aufschwingen zu, naja, etwas höherem geradezu, und quasi aus sich heraus formulieren um des formulierens willen - eine wiederentdeckung des l'art pour l'art in all seiner mäandernden sinnlosigkeit, und aber doch.

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wenn er nicht so groß gewesen wär, hätte man versucht, ihn mit einer effeminierungskampagne zu diskreditieren.

Sehr gut möglich. Im "Spiegel" haben sie ja mal schön darüber abgelästert, wie der "kritische Stehriese" Frauen gegenüber zu einem "säftelnden Sitzzwerg" mutiert, und da habe ich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, Tränen gelacht. Sicher, er konnte fies sein, aber er konnte bisweilen auch eine streberhafte Beflissenheit und bücklinghafte Servilität an sich haben, die mir Krämpfe verursachte.

Aber wie gesagt, ich habe es nie geschafft, ihn zu verabscheuen, und inhaltlich gab es auch nicht sonderlich viel zu kritisieren. Wobei ich Herrn nnier beipflichten muss, sein Plädoyer für den Glotzengulag hat mich auch nicht überzeugt. Wie ich auch dem Kollegen Niggemeiner mal schrieb, dass das Format durchaus auf mehreren Ebenen funktionieren mag und da und dort auch doppelbödigen Humor als Ingredienz hat, wiegt meines Erachtens den erheblichen Kackscheiße-Anteil nicht auf.

Aber wer sich als Alpha-Medienfuzzi nicht schwerwiegender vergaloppiert hat als einem wie ich finde eher mindertwertigem Format zu huldigen, dem darf man durchaus zu Recht Kränze winden.

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der spiegeltext ist ja nicht soooo schlecht. ich kann auch nicht ausschließen, dass er zwischendurch einen servilen habitus zivilisiert hat, ich hab ja auch nicht alles gesehen. vielleicht war er auch nur, ganz mann, zwischenzeitlich opfer seiner midlifcrisis und hat deswegen das säuseln angefangen. soll ja nicht ganz unerfolgreich gewesen sein.
und immerhin hat er sich für ein leben jenseits des feuilletons interessiert, mehr als manche von den anderen je fertigbringen werden.

#jungle: klar, bleibt ein scheißformat und ich halte die mehreren ebenen auch für einen irrtum, genau so wie einschätzung irgendwelcher frankfurter anti-ds, die jetzt aus schräg verstandenem lokalspatriotismus total ironisch haftbefehl und celo&abdi pumpen. 069!
wer sich deutschem gangstarap intellektuell meint nähern zu müssen, ist schon in der grundannahme gescheitert.
so ist letztlich beides wie ein autounfall: schrecklich, aber man guckt doch.

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Hab das heute auch gedachte und dann gleich, daß ich das Buch von ihm nicht weggeben kann.
Tät ich eh nicht, aus andren Gründen.

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joa, es sind zwar hauptsächlich erinnerungen, ich hab das lange gar nicht so sehr verfolgt (hatte zwischendurch nichtmal einen fernseher), aber irgendwie war mir danach.

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Ah, ein Marderschädel! (Ich muß um Verzeihung bitten, ich entdecke das alles erst jetzt, denn mir geht es wie Herrn Nnier. So richtig warm wurde ich mit dem Meister nicht. Die ein, zwei Mal, die ich ihn auf Veranstaltungen aus der Nähe erlebte, umgeben von seinem kleinen Harem an Gottesanbeterinnen, da sonnte er sich schon ein wenig selbstverliebt - wer wollte es ihm verdenken. So ein bißchen eifrig, so ein bißchen herablassend dominant (bei seiner Körpergröße kein Wunder), bei aller Freundlichkeit, die er eben auch besaß. Ein Verlust fürs TV allemal, wenn ich die Kasper heutzutage so sehe.) Wirklich eine malerische Sache.

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ja, die schamlose vernachlässigung ihrer kommentarpflicht ist natürlich problematisch. (wenn sie mir jetzt noch sagen können, wer dann wem den kopf abbiss, gelten sie in meiner welt für immer als spitzeninformiert;-)

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Ja. Wo ist nur mein Kopf?! Ich muß darüber natürlich schweigen, sonst werde ich zu solchen Anlässen ja nie wieder eingeladen. Ich hatte aber den Eindruck als wäre das Opfer diesmal nicht der Mann gewesen, sondern würde im Haremskreis gesucht.

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diskretion ist wichtig, da will ich dann auch nicht weiter drängeln:-)

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